Energiearmut in Deutschland – wenn Strom und Heizung zum Luxus werden
Energiearmut ist in Deutschland längst kein Randproblem mehr. Während Stromzähler in Millionenhaushalten routinemäßig rotieren und Heizkostenabrechnungen unaufhaltsam steigen, gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, die sich diese Grundbedürfnisse kaum noch leisten können. Die Vorstellung, dass Heizen und Strom zu Luxusgütern werden, scheint paradox – und ist doch für viele Realität.
Was bedeutet Energiearmut überhaupt?
Energiearmut beschreibt die Situation, in der Menschen nicht in der Lage sind, ihre Wohnung angemessen zu heizen oder grundlegende Energiebedarfe zu decken – etwa für Licht, Warmwasser oder das Kochen. In Deutschland wird meist als energiearm eingestuft, wer mehr als 10 % seines Einkommens für Energie ausgeben muss oder trotz laufender Kosten zu wenig heizt.
Das Phänomen ist dabei eng verbunden mit Armut, aber auch mit ineffizienten Gebäuden, steigenden Energiepreisen und fehlender politischer Unterstützung.
Zahlen, die aufrütteln
Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurden allein im Jahr 2023 mehr als 200.000 Haushalten zeitweise der Strom gesperrt – oft, weil Rechnungen nicht bezahlt werden konnten. Noch mehr Menschen sitzen in kalten Wohnungen, weil sie Heizkosten einsparen müssen.
Besonders betroffen sind Alleinerziehende, Rentner mit niedriger Pension und Transferleistungsempfänger:innen. Aber auch viele Menschen mit Vollzeitjobs rutschen durch gestiegene Energiepreise an die Belastungsgrenze.
Ursachen: Mehr als nur hohe Preise
Die Hauptursache von Energiearmut ist oft ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren:
- Niedriges Einkommen, das kaum Spielraum für steigende Nebenkosten lässt.
- Schlecht isolierte Wohnungen, vor allem in Altbauten, die hohe Heizkosten verursachen.
- Fehlende Wahlfreiheit, etwa bei der Wahl des Energieversorgers oder beim Umzug.
- Knappe Sozialleistungen, die reale Energiepreise nicht mehr decken.
Hinzu kommt: Die Energiewende und CO₂-Bepreisung sind zwar notwendig, führen aber kurzfristig zu Preissteigerungen – und treffen gerade die Haushalte, die am wenigsten kompensieren können.
Folgen: Gesundheit, Bildung, soziale Isolation
Energiearmut hat weitreichende Folgen. Wer in der kalten Wohnung sitzt, wird häufiger krank, schläft schlechter und ist psychisch stärker belastet. Kinder aus betroffenen Haushalten haben schlechtere Lernbedingungen – nicht nur, weil es im Winter zu kalt ist, um konzentriert zu arbeiten, sondern auch, weil digitale Endgeräte oft eingespart oder nur begrenzt geladen werden.
Auch soziale Teilhabe leidet: Wer kein Geld für Strom oder warmes Wasser hat, vermeidet oft Besuch, schämt sich – und zieht sich zurück.
Was wird dagegen getan – und reicht das?
Es gibt in Deutschland Hilfen wie das Wohngeld oder den Härtefallfonds für Heizkosten. Auch das „Heizkostenzuschussgesetz“ oder einmalige Entlastungspakete sind Schritte in die richtige Richtung. Doch viele dieser Maßnahmen sind befristet, bürokratisch schwer zugänglich oder reichen schlicht nicht aus.
Zudem fehlt eine bundesweit einheitliche Definition und systematische Erfassung von Energiearmut – was die gezielte Bekämpfung erschwert.
Was müsste sich ändern?
Energiearmut lässt sich nur bekämpfen, wenn politische Maßnahmen langfristig, zielgerichtet und sozial gerecht ausgerichtet werden:
- Sozial gerechte Energiewende: Förderungen für Gebäudesanierung müssen auch einkommensschwache Haushalte erreichen.
- Direkte Entlastungen statt indirekter Steuererleichterungen.
- Transparente Energiepreise und bessere Beratung für Betroffene.
- Wohnungsbau und Mieterschutz: Günstige, energieeffiziente Wohnungen müssen zur Realität werden.
Energie ist ein Menschenrecht
Energie ist mehr als nur eine technische Infrastruktur – sie ist Voraussetzung für ein würdiges Leben. Dass in einem reichen Land wie Deutschland hunderttausende Menschen frieren oder im Dunkeln sitzen, ist ein politischer und gesellschaftlicher Missstand. Energiearmut darf nicht länger als Randproblem gelten – sie gehört ins Zentrum der sozialen und klimapolitischen Debatte.
Quelle: ARKM Redaktion