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Neue Modelle zur EEG-Stromvermarktung erschweren EnergiewendeNeue Modelle zur EEG-Stromvermarktung erschweren Energiewende

Die neuen Vermarktungsmodelle für Strom aus erneuerbarer Energie aus Deutschland erschweren die Energiewende. „Das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im Januar 2012 in Kraft tritt, wird die Qualitätsmarke „Strom aus erneuerbarer Energie aus Deutschland“ für den Verbraucher weitgehend unkenntlich machen.

Die Zielerreichung der Energiewende wird damit gefährdet, denn die Verbrau-cher haben am Grünstrom erkennbar Gefallen gefunden“, sagte Hermann Schmeink, Geschäftsführer der KoM-SOLUTION GmbH, und Gründer des GREEN ENERGY DESK, einer unabhängigen Vermarktungsplattform von EEG-Strom in Berlin. Die Bundesregierung müsse das neue EEG dringend anpassen, damit die Energiewende nicht auf der Vermarktungsseite schei-tert. Erforderlich sei eine separate Preisbildung für EEG-Strom und eine Möglichkeit für Endverbraucher zum direkten Bezug von „grünem Strom“ (aus inländischen Anlagen von Wind, Wasser, Photovoltaik, Biogas etc). Diese Möglichkeit war bisher über das Grünstromprivileg im alten EEG ge-geben und wurde sehr erfolgreich angewandt. Das neue EEG lässt dieses Grünstromprivileg kollabieren.
Die Erfahrung der vergangenen zwei Jahre zeigt, dass immer mehr Ver-braucher „grünen Strom“ beziehen wollen. „Die Kunden wissen Grünstrom heute als eigene Qualität zu schätzen“, sagte Schmeink. Die Nachfrage ist in den letzten Jahren stark gestiegen; der Absatz von Ökostrom liegt in 2011 bei über 27 TWh. Im Vergleich zum Jahr 2009 bedeutet dies einen Zuwachs von über 57%. Die Nachfrage der Industrie- und Gewerbekunden nach Ökostrom liegt in 2011 bei über 20%. In 2011 werden voraussichtlich 103 TWh Strom aus Erneuerbaren-Energie-Anlagen erzeugt. Damit werden im Jahr 2011 annähernd 20% des Stromverbrauchs in Deutschland durch Erneuerbare Energien gedeckt.

„Mit dem neuen EEG 2012 wird die wachsende Nachfrage der Verbraucher nach grüner Qualität aber nicht mehr angemessen befriedigt werden“, sagte Schmeink. Für die Vermarktung der produzierten Grünstrommengen sieht das EEG ab 2012 einerseits die Einspeisung ins Netz und die Vergütung durch den Übertragungsnetzbetreiber vor. Andererseits sollen die Erzeuger von Erneuerbaren Energien auch einen direkten Zugang zum Großhandelsmarkt bekommen und zum Verbraucher behalten.

Für die Direktvermarktung sind zwei Modelle vorgegeben – das Marktprä-mienmodell und das Grünstromprivileg. „Der Vorteil des bis Ende 2011 gel-tenden Grünstromprivilegs war, dass Endverbraucher Strom in Öko-Qualität zu günstigen Konditionen beziehen konnten. Diese Qualität wird durch das neue EEG weitgehend zunichte gemacht, denn die Anwendung ist jetzt so kompliziert geworden, dass es am Markt praktisch keine Rolle mehr spielen wird“, sagte Schmeink. Beispielsweise müssten Windmüller künftig für jede Viertelstunde ihre Erzeugungsmengen genau vorhersagen und dies durch Messung der tatsächlich eingespeisten Strommenge nachweisen.

Die zweite Möglichkeit zur Direktvermarktung, das neue Marktprämien-modell, garantiert den Erzeugern eine Marktprämie als Aufstockungsbetrag zum Marktpreis, um Erlöse in Höhe der gesetzlich garantierten Vergütung sicherzustellen. Zusätzlich wird dabei eine Managementprämie gezahlt. Diese beträgt 2012 bei Wind- und Solaranlagen 12,00 €/MWh und soll Kosten für Prognoseerstellung und Börsenzulassung decken. Die Prämien sind – über die EEG-Umlage – vollständig vom Endverbraucher zu zahlen. Eine Vermarktung im Marktprämienmodell ist für EEG-Anlagenbetreiber künftig wesentlich attraktiver als im Grünstromprivileg. Beim Marktprämienmodell werden die Ökostrommengen unterschiedslos über die Strombörse als „Graustrom“ vermarktet. „Grünstrom wird damit immer zu Graustrom. Endverbraucher können nicht mehr unterscheiden, woher ihr Strom kommt“, so Schmeink.

Durch diesen strukturellen Wandel wird die Energiewende immer teurer. Im Jahr 2012 ist eine EEG-Umlage von 3,592 ct/kWh zu zahlen. Laut Angabe der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber ist im Jahr 2013 ein Anstieg der Umlage auf bis zu 4,74 ct/kWh zu erwarten.

Stromgroßhändler beklagen zudem, dass die unterschiedslose Direktver-marktung von Strom aus erneuerbarer Energie über die Leipziger Strom-börse aus gesamtwirtschaftlicher Sicht in die falsche Richtung führe. „Die Großhandelspreise schlagen nun immer stärker aus.“ Abhängig von der Wetterlage entsteht bei Solar- und Windenergie ein deutliches Unter- bzw. Überangebot an grünem Strom, das den Börsenpreis stark beeinflusst. Wenn zeitweilig viel Ökostrom geliefert wird, können konventionelle Strom-erzeuger weniger absetzen und der Strompreis wird tendenziell niedriger (Merit-Order-Effekt). Weil die Rentabilität konventioneller Kraftwerke dadurch aber sinkt, lohnen Investitionen in den Bau neuer konventioneller Kapazitäten möglicherweise nicht mehr. So droht auf mittlere Sicht eine Versorgungslücke, die zunächst nicht durch erneuerbare Erzeugung ge-schlossen werden kann. „Ohne ausreichende konventionelle Kapazitäten werden die Versorgungsschwankungen zunehmen und die Versorgungssi-cherheit sinken“, sagte Schmeink.

Die Finanzierung der Energiewende wird ein gewaltiger Kraftakt werden. Für die Umsetzung der Energiewende ist nach Angaben der KfW bis 2020 von einem mittleren jährlichen Investitionsbedarf von etwa 25 Mrd. EUR auszugehen.

„Damit diese Aufgabe gestemmt werden kann, müssen erneuerbare und konventionelle Erzeugung für die Verbraucher unterscheidbar bleiben. Durch die ab 2012 geltenden Bedingungen der Direktvermarktung von Er-neuerbaren Energien werden dafür keine sinnvollen Anreize gesetzt“, sagte Schmeink. „Hier ist auf der Basis des Grünstromprivilegs eine Weiterent-wicklung des Modells für die Energiewirtschaft erforderlich, das einerseits die Qualität von Strom aus Erneuerbaren Energien besser abbildet und an-dererseits die richtigen Anreize für die benötigten Investitionen über den Strompreis in einem funktionierenden Markt setzt.“ Nach Einschätzung von Schmeink ist nur durch die Verknüpfung von Erzeugungs- und Verbrauchs-seite eine echte Marktintegration von EEG-Strommengen realisierbar, bei dem grüner Strom am Markt als eigenes Produkt mit EEG-Qualität angebo-ten wird. „Daraus ergäbe sich ein eigener Preis für Grünstrom, der sich vom Preis für konventionellen Strom unterscheidet und der die Kosten der Ener-giewende transparent macht.“

Zahlen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien

Im Jahr 2011 ergibt sich in Deutschland eine installierte EEG-An¬la¬gen¬leistung von rund 62 GW. Dies entspricht einer Strommenge aus erneuerbarer Energie von ca. 103 TWh. Im Rahmen des Grünstromprivilegs haben 2011 EEG-Anlagenbetreiber eine Leistung von rund 4,5 GW mit einer Jahresarbeit von ca. 12 TWh in der Direktvermarktung, also 11% der Strommenge aus erneuerbarer Energie und rund 2% der gesamten Strommenge.

Für das Jahr 2012 wird ein Zubau der installierten EEG-Anlagenleistung von rund 3 GW auf 65 GW erwartet. Dies entspricht einem Anstieg der Strom-menge aus erneuerbarer Energie um etwa 10% auf ca. 113 TWh. Im Rah-men des Grünstromprivilegs werden nach Schätzung des Instituts für Ener-gie in Leipzig im Jahr 2012 nur noch 4 TWh vermarktet, das entspricht einem Rückgang von ca. 70%. Über 17 TWh der direktvermarkteten EEG-Strommenge entfallen auf das neu eingeführte Marktprämienmodell. Die EEG-Anlagenbetreiber werden in 2012 mehr als 21 TWh und damit rund 18% der gesamten EEG-Strommenge über Marktprämienmodell und Grünstromprivileg direkt vermarkten.

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Veröffentlicht von: opr
am 12. Dez 2011 und wurde einsortiert unter:
Aktuell, Energie Umwelt, Stromanbieter, Themen.
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Schlagwörter: Direktvermarktung, EEG-Umlage, Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Erzeugung Erneuerbarer Energien, Finanzierung der Energiewende, grünem Strom, Grünstromprivileg, Ökostrom, Solar- und Windenergie, Strom aus erneuerbarer Energie aus Deutschland, Stromgroßhändler

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